Frage: Wo liegt der Ursprung für die Umstellung des Verfahrens, also wann?
Antwort: Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 führte der Gesetzgeber eine Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge zum 1. Januar 2009 ein. Bis dahin mussten Kapitalerträge zum Zweck der Besteuerung in der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Grundsätzlich handelt es sich bei der Abgeltungsteuer um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Die Abgeltungsteuer ist als anonyme Quellensteuer konzipiert, das heißt der Steuerabzug erfolgt durch die Stelle, die die Kapitalerträge auszahlt. Mit diesem Steuerabzug ist die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen abgegolten. Bereits in der Begründung dieses Gesetzes ist festgehalten, dass es zu den Zielen der Reform gehöre „auch bei der Erhebung der auf Kapitalerträge anfallenden Kirchensteuer den Steuerabzug grundsätzlich an der Quelle vorzunehmen.“ Hierzu hielt man von Anfang an eine Datenbank für erforderlich, „die es den Stellen, die die Kapitalertragsteuer einzubehalten haben, erlaubt, auf elektronischem Wege festzustellen, ob ein Steuerpflichtiger Angehöriger einer Religionsgemeinschaft ist oder nicht, und gegebenenfalls, welcher Religionsgemeinschaft er angehört und welcher Kirchensteuersatz für ihn anzuwenden ist.“ Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine derartige Datenbank erst ab 2011 zur Verfügung stehen würde und hat daher zunächst ein Übergangsverfahren geregelt, das die Bundesländer, die für die Kirchensteuer zuständig sind, übernommen haben.
Frage: Von wem ging damals die Initiative zur Einführung einer Abgeltungssteuer aus?
Antwort: Die Abgeltungsteuer sollte der Verbesserung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Finanzplätze dienen. Der Gesetzgeber hat daher das geänderte Erhebungsverfahren mit dem Anreiz der anonymen Erhebung und dem abgesenkten Steuersatz verbunden. In Konsequenz sollte dies aber nicht dazu führen, dass die Kirchensteuer nicht mehr auf Einkünfte aus Kapitalerträgen, die ja – wie bisher - Teil des Einkommens sind, erhoben werden konnte. Deshalb hat der Gesetzgeber ein Übergangsverfahren vorgesehen und ein endgültiges Verfahren auf elektronischem Wege in Aussicht gestellt.
Frage: Haben die Kirchen einen eigenen Vorschlag gemacht?
Antwort: Die ersten Überlegungen für die Einbindung der Erhebung der Kirchensteuer in das anonyme staatliche Verfahren wurden zwischen den Kirchen und den Finanzverwaltungen der Länder bereits Ende 2007 formuliert. Neben dem verfassungsrechtlichen Anspruch der gleichmäßigen Erhebung der Kirchensteuer war ein zentrales Anliegen der Kirchen, dass die Kirchensteuer auf Kapitalertragsteuer dem jeweils „richtigen“, also dem nach dem Wohnsitzprinzip zuständigen Kirchensteuergläubiger zugeordnet werden kann.
Frage: Gab es einen Vorschlag an die Kirchen, den diese abgelehnt haben?
Antwort: Es gab Überlegungen, die steuererhebenden Religionsgemeinschaften pauschal am Aufkommen der Abgeltungsteuer zu beteiligen. Dies hätte aber bedeutet, dass auch Bürger, die nicht Mitglieder einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sind, Kirchensteuer gezahlt hätten. Dies erschien den Kirchen aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig. Die Kirchen wollten das System der Kirchensteuer, die als Annex an die Einkommensteuer angebunden ist, nicht verlassen.
Frage: Stimmt der Vorwurf der Banken, die Kirchen hätten ein neues Verfahren gewollt?
Antwort: Die Kirchen haben sich dafür eingesetzt, dass das von Anfang an in Aussicht gestellte endgültige Verfahren entwickelt wird. Das Übergangsverfahren, das eigentlich nur zwei Jahre gelten sollte, letztlich aber 6 Jahre in Kraft gewesen sein wird, sollte abgelöst werden.
Frage: Stimmt der Vorwurf der Kirche, die Banken hätten ein neues Verfahren gewollt?
Antwort: Der Vorwurf, dass die Banken Anlass für das neue Erhebungsverfahren gegeben haben, kann sich - wenn überhaupt - nur darauf beziehen, dass die Banken Interesse an der Einführung der Abgeltungsteuer hatten. Sicherlich hat das neue Verfahren auch für die Banken nicht nur negative Aspekte, gegenseitige Schuldzuweisungen führen aber nicht weiter, sondern schaden dem Verfahren und allen Beteiligten mehr als sie nutzen.
Frage: Stimmt die Aussage, dass das neue Verfahren im Konsens von Kirchen, Politik und Bankenverbänden zustande kam?
Antwort: Das Übergangsverfahren wurde einvernehmlich vereinbart und ein endgültiges Verfahren einvernehmlich in Aussicht gestellt. Das heißt, über das Grundkonzept herrschte Einigkeit. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens haben Gesetzgeber, Banken und Kirchen Detailregelungen erarbeitet, die im Gesetz teilweise ihren Niederschlag gefunden haben. Die Zusammenarbeit war sachorientiert und vertrauensvoll.
Frage: Warum war ein neues Verfahren notwendig?
Antwort: Im Übergangsverfahren gibt es für die Beteiligten keine Möglichkeit festzustellen, ob die Kirchenkapitalertragsteuer zutreffend abgeführt wird. Damit drohte den Kirchen der Vorwurf, dass die Kirchensteuer nicht vollständig erhoben werden könnte. Dies lässt sich gegenüber Kirchenmitgliedern, die aus anderen Einkünften heraus Kirchensteuer entrichten, nicht rechtfertigen. Das widerspricht dem steuerrechtlichen Prinzip, der Gleichmäßigkeit und Folgerichtigkeit der Besteuerung.